Weihnachtsgruß

18.12.2014 CJD Droyßig « zur Übersicht

Liebe Schüler, liebe Kollegen, liebe Mitarbeiter des CJD Droyssig und liebe Eltern,  

ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute und Gottes Segen zum Weihnachtsfest.

Weihnachten ist nicht nur ein Fest für die Christen - Gott ist nicht Mensch geworden für die Christen, sondern für uns alle Menschen.

In  meiner letzten Besinnung in der Schule habe ich gesagt, dass Weihnachten das "Fest des Seins" ist,  nicht primär des Sollens. In diesem unserem Sein - ich bin, Sie sind, die Bäume und die Tiere sind - ist Gott Mensch geworden: Menschensohn, Gottessohn.

Dadurch ist die Freude der Schöpfung erneuert worden: alles im Sein ist Freude und kann von uns als solche wahrgenommen werden (auch wenn wir krank sind oder ermüdet); die Begründung dafür lautet: weil Gott selbst in diesem Sein "Fleisch" geworden ist (Joh 1,14). Die Freude des unendlichen Seins ist Freude im endlichen Sein geworden.

Das befreit uns nicht von der Dimension des "Sollens" - aber es ist ein anderes Sollen, ein leichteres Sollen, nicht Frucht unserer krampfhaften Anstrengung. Wir wollen Seiner liebenden Gegenwart im endlichen Sein mit kleinen "Diensten" entsprechen, diese kleinen Dienste sind das, was die Moralphilosophie ab Immanuel Kant "Sollen" nennt (im der Alltagssprache reden wir vielleicht lieber von "müssen").

Wenn ich in eine Toilette gehe (dies sei nur als Beispiel verstanden!), bemühe ich mich sie ordentlich zu hinterlassen als kleiner Dienst für die Mitmenschen: ich muss es nicht, ich "soll" es, vielleicht besser ich darf es, weil Gott uns den großen Dienst erwiesen hat, im Sein "Gegenwart" zu werden: d.h. eine liebende Gegenwart zu werden.

Gott liebt alle Menschen. Alle heißt alle: auch die Sekundarschüler, mit denen wir in Bus fahren (ich gebe dieses Beispiel auf Grund einer Erfahrung, die ich neulich im Bus gemacht habe). Mag es auch sein, dass sie weniger Kompetenzen haben in bestimmten intellektuellen Bereichen, die in einem Gymnasium geübt werden, aber nichts in ihrem menschlichen Sein ist weniger sinnvoll als bei uns, die in einem Gymnasium lehren oder lernen. "Gaben" (intellektuellen Gaben), wie das Wort selbst sagt, sind uns gegeben, nicht als Besitz, sondern als Geschenk für alle, nicht nur für uns. Wenn ich die Gabe habe ein guter Jurist zu werden, werde ich es nicht nur für mich, sondern für alle, so wie jemand Bäcker wird nicht nur für sich, sondern für alle. Und dennoch auch wenn das "Sollen" sicher eine wichtige Dimension des Lebens ist, das Christentum ist nicht Verkündigung von "Werten", die wir leben "sollen", sondern ist Verkündigung von der liebenden Gegenwart Gottes.

Mit Nicht Christen verbinden mich nicht primär "gemeinsame Werte". Das Programm der Reduktion des Christentums auf "Werte", was den Name von Immanuel Kant hier in Deutschland trägt, ist gescheitert. Er meinte auf ein "universelles Sollen" (kategorischer Imperativ), ohne Verweis auf die Begründung eines liebenden Gottes, appellieren zu dürfen. Das Ergebnis steht vor unseren Augen: der Appell ist zu hoch und wir sind als Europäer eine müde wirkende Gesellschaft, die den Zugang zu der Quelle der Lebendigkeit verloren hat. Werte lassen sich  nicht ohne die Gegenwart, die sie hervorbringt, verteidigen oder gar leben. Gemeinsam mit Nicht Christen habe ich ein Herz voll Freude, Hoffnungen, Nöten und Ängsten. Das verbindet mich mit ihnen. Nicht ein Wert, auch ein christlicher oder humanistischer Wert, schenkt mir die Freude des Lebens (Freude im Sein habe ich sie zuerst genannt), sondern eine konkrete Umarmung, eine konkrete Zugehörigkeit. In diesem Schuljahr haben wir angefangen (oder wir haben sie vertieft) zwei konkrete Formen der christlichen Zugehörigkeit in der Schule zu leben - einen Bibel - und einen Gebetskreis, die zwar unterschiedliche Stile haben, die aber demselben Herrn dienen wollen: dem Herrn, Jesus Christus, dessen Geburt wir am Weihnachten feiern und der nachdem er von seinen zwei ersten Jüngern angesprochen worden war, wie man ihm folgen sollte, nicht mit einer "Theorie" - wie wichtig diese auch sein mag, besonders in einer Gesellschaft, die Wissen in einer Überflutung von Daten reduziert hat, die man kaum mehr "verstehen" kann - geantwortet, sondern mit einem "Kommt und seht", oder wie Martin Luther übersetzt: "Kommt und ihr werdet es sehen" (Joh 1, 39).

Ihr werdet sehen, was mit der Menschwerdung Gottes im Sein geschehen ist und geschieht.  

In diesem Sinne: Frohe Weihnachten, Euch allen!

(R. Graziotto, Fachschaft Religion)